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Objektivität

O. wird in mindesten drei Bedeutungen benützt.

(1) Eine Beschreibung wird als “objektiv” bezeichnet, wenn sie eine Sachlage so beschreibt wie sie in einer vom Beobachter unabhängigen Realität postuliert wird. O. in diesem Sinn ist, wie H.von Foerster gesagt hat, die Illusion, dass Beobachtungen ohne Beobachter (erlebendes Subjekt} gemacht werden könnten. Wir mögen eine Realität wohl auf Grund unserer Erfahrungen postulieren, doch dass diese Realität eine von uns unabhängige Welt wahrheitsgetreu wiederspiegelt, ist eine unlautere Annahme. Unsere Vorstellungen sind einerseits durch die Eigenschaften unserer Sinne und andererseits durch die von uns geschaffenen Begriffe bestimmt (^Wissen als Konstrukt).

(2) Im Gegensatz zu einer “subjektiven” Beschreibung soll eine “objektive” keine persönlichen, individuellen Aspekte enthalten. Da wir aber nicht aus unserem eigenen Erfahrungsbereich aussteigen können, kann der Versuch, uns die Erfahrungen anderer vorzustellen nur relativ erfolgreich sein. Obschon wir durch sprachliche Interaktion herausfinden können, was der/die andere über den betreffenden Sachverhalt sagt, bleibt die Interpretation des Gesagten doch eine an unseren subjektiven Erfahrungsbereich gebundene Auslegung (^Konzeptuelle Semantik). Das heisst unsere Vorstellungen der Vorstellungen anderer sind notgedrungen hypothetisch.

(3) Im Bereich der Wissenschaften werden Beobachtungen oder Befunde als “objektiv” betrachtet, wenn sie mehrfach und von anderen Forschern wiederholt worden sind. Diese O. ist ausschliesslich im Erfahrungsbreich begründet und Wissenschaftler, die keine philosophischen Ambitionen haben, sorgen sich nicht über den Unterschied zwischen Erfahrungswelt und Realität.

Copyright: Der Beitrag erscheint in "Das Große Lexikon Medien und Kommunikation" herausgeben von Leon R. Tsvasman. © 2006 Ergon-Verlag Dr. H.-J. Dietrich, Würzburg, Germany.